Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Wirtshaussterben in Ensdorf III

| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung

„Wos? Da ‚Mulzer’ macht zua? Des gibt’s doch niat! Des derf niat sa!“ jammerten die Ensdorfer als es tatsächlich soweit war. Am 8. Juni 1989 war „dicht“. Das alteingesessene „Gasthaus und Metzgerei zur Post“ wurde nach dem frühen Tod von Josef Lautenschlager geschlossen.

Von weither waren zuvor die Leute gekommen, um u. a. seinen unvergleichlich guten Leberkäs und seine einmaligen Weißwürscht zu kaufen. Noch heute schwärmen viele: „So an guatn Leberkas und solchene Weißwürscht kriagst niargends mehr!“ Aber aus ist eben aus. Das gilt nicht nur für die Metzgerei, sondern auch für die Gastwirtschaft „Zur Post“ in Ensdorf.

Seit den 30-er Jahren war „D’ Post“ im Besitz der Familie Mulzer. Auch eine Metzgerei wurde betrieben. In das alteingesessene Gasthaus kamen täglich Banker und Junglehrer, Polizisten und Förster, Posterer und Beschäftigte der BayWa zum Essen - bis 1987. Versammlungen wurden in Wirtschaft und Nebenzimmer abgehalten, Frühschoppen am Sonntag und auch so mancher Leichenschmaus. Ab 1954 waren Josef und Maria Lautenschlager die Besitzer. Und Maria Lautenschlager weiß noch viel „von früher“. „Als ich 16 oder 17 Jahr alt war, kamen mal welche und fragten nach der Vermietung der Gastwirtschaft für eine politische Veranstaltung. Ich wusst’ nicht, wer und welche Partei das sein sollte. Mein Vater schimpfte: Da gehst morgen nach Amberg und sagst ab! Kommunisten kommen bei mir niat rei!“ Während des Krieges kamen jeden Tag 50 bis 60 Kinder von der „Kinderlandverschickung“ zum Essen ins Gasthaus „Zur Post“.

Auf dem früheren Heuboden waren während des 2. Weltkrieges Kriegsgefangene untergebracht. Später wurde er als Saal benutzt, wo es schon zuvor Theateraufführungen gab, nach dem Krieg bis Anfang der 50-er auch Krippenspiele. Selbst ein Zirkus war mal da und eine Kuh wurde über die Treppe zu ihrem Auftritt geführt. Dann wurde der Wirtssaal für Filmvorführungen, Christbaumversteigerungen, Kommunion- und Firmfeiern, Hochzeiten sowie unzählige Tanzveranstaltungen mit Blasmusik genutzt: Faschingstänze von Feuerwehr, Männergesang- und Sportvereinverein im toll dekorierten und mit „Kanonenöfen“ beheizten Saal, Kirwa- und Kathreintänze fanden statt. „Nach jedem Tanz is g’rauft word’n“, erinnert sich Maria Lautenschlager. Bei den ‚Bala-Bala-Tänzen Anfang der 70-er bebte der Boden über dem Kuhstall darunter, die Biergläser schwankten und hüpften auf den Tischenf. Bei den Tanzveranstaltungen aßen die Gäste in der Gaststube oder im großen Nebenzimmer, vereinzelt auch in der Küche. 1975 aber wars aus mit der Tanzerei: Der „Mulzer-Saal“ wurde geschlossen.

In keinem Wirthaus wurde so viel musiziert wie beim „Mulzer“ in der „Post“: Der Männergesangverein war früher dort, montags die Jagdhornbläser. Klavier, Zither und Akkordeon wurde gespielt und viel gesungen – am Wochenende oft bis ein Uhr in der Früh oder manchmal noch später. „Am Sonntag ham die Frauen nach der Kirch’ in der Metzgerei eing’kauft und die Manner san zum Frühschoppen blieb’n.“, so Maria Lautenschlager zur MZ. Alte Ensdorfer sprechen von ihr noch heute von der „Mulzer Mare“.

Einige andere Begebenheiten fallen ihr ein: „D’ Bratwürstln san mal aufplatzt. Mei, da kann i nix dafür hot ’s Julchen g’sagt: Hock de du mal a halbe Stund’ ins kochete Wasser!“ Oder: „Da wollt’ mal oana – scho ganz schej atrunka bei ana g’schlossenen Veranstaltung eina. Dou hob i g’sagt, des kannst niat, dou san de Besseren drin, hock’ de in d’ Kuch eine. Und da hob e eam nu siebn oder acht Halbe Bier geb’n. Mei Mo hot se g’wundert: ‚Der kummt b’suffa eina und geht nach nu sieben oder acht Bier besser asse als wia a eina kumma is. Des gibt’s doch niat!’ Da hob i ihn aufg’kärt: I hob eam allerweil a alkoholfrei’s gebn!“

Auch hohe Gäste sind im Gasthaus „Zur Post“ ein- und ausgegangen. Zum Beispiel dreimal Abt Augustin Mayr vom Benediktinerkloster Metten, jetzt Kardinal in Rom.

Doch im Juni 1989 gehörte auch diese Wirtshaustradition in Ensdorf der Vergangenheit an. Josef Lautenschlager hatte kurz vor seinem Tod das Anwesen seinem Sohn Konrad übergeben. „Der wollt’ die Wirtschaft nicht“, erzählt seine Mutter der „Mittelbayerischen Zeitung“. Eine kleine Chance bestünde ja noch: Wirtsstube und Nebenzimmer sind noch immer eingerichtet, die Schanktheke steht noch. Sogar die Gläserschränke mit den Biergläsern gibt es noch. Die Chance ist aber gleich Null, hat doch der Vater von Dr. Konrad Lautenschlager schon zu seinen Lebzeiten prophezeit: „In dreiß’g Joahr, da müaßts ihr an Wirt zohl’n, damit er in Ensdorf aufmacht!“