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Wirtshaussterben in Ensdorf

| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung

Seit 1971 grassiert in der Gemeinde Ensdorf eine heimtückische tödliche Seuche: das Wirtshaussterben. 14 Todesopfer sind bisher zu beklagen, denn von den damals bestehenden 16 Gasthäusern überlebten nur zwei: Bäckerei und Bierwirtschaft Gasthaus Dietz in Ensdorf sowie Gasthaus Graf in Hofstetten. Trotz mittlerweile vier Geburten haben in der Gemeinde nur mehr sechs Häuser geöffnet. Ein Ende der Seuche ist nicht in Sicht. Der nächste Sterbekandidat, der 15., steht schon fest: Am 28. Februar schließt das Gasthaus „Zur Dorfschmiede“ in Thanheim seine Pforten.

Das „Sterberegister“: + 31. 3. 1971 Gasthaus Burger in Ensdorf,  + 31.12. 1971 Gasthaus Dürr in Thanheim, + 31.12.1971 Gasthaus Schneider (Rost) in Seulohe, + 17. 8. 1972 Gastwirtschaft Bachfischer in Thanheim, + 31. 5. 1975 Gasthaus Reiser in Hirschwald, + 15. 1. 1983 „Klosterschänke“ (Torhierl) in Ensdorf, + 8. 6. „Metzgerei und Gasthaus zur Post“ (Mulzer/Lautenschlager) in Ensdorf, + 1. 3. 1992 Gasthaus Trettenbach (Bayerl) in Ensdorf, + 14.12. 1997 Gasthaus „Zur Brücke“ in Wolfsbach, + 15. 4. 1999 Gasthaus Dirmeyer in Wolfsbach, + 30. 9. 1999 Gasthaus Schmidt (Bruckhierl), + 30. 9. 1999 Gasthaus Wiedenbauer in Seulohe, + 1. 7. 2003 Gasthaus Winkler in Leidersdorf und zuletzt am 2. 10. 2009 Gasthaus „Weißbacher“ in Ensdorf.

Wegen strengerer Auflagen im Sanitärbereich bzw. aus Altersgründen schlossen 1971 die Gasthäuser Dürr in Thanheim, Schneider (Rost) in Seulohe und Burger in Ensdorf. „Beim Burger“, einer alten Dorfwirtschaft, wettete Besitzer Anderl Burger einmal um „etliches Bier“, dass sein Gaul in die Wirtsstube passt. Gesagt, getan. Bald floss der edle Gerstensaft in Strömen, nachdem das Pferd in der Wirtstube gewesen war. Ende 1971 schloss auch der „Schneider-Wirt“ Johann Rost in Seulohe seine Pforten. Ältere Seuloher und Ensdorfer Bürger erinnern sich noch gerne an seine Laube, wo man manch laue Sommerabende bei einer frischen Maß Bier ausklingen hat lassen. Im Sommer 1972 erlag auch das Gasthaus Bachfischer in Thanheim der grassierenden Seuche.

Da gab es aber gleich wieder einen Lichtblick: Damit das Dorf (Thanheim) nach der Schließung der Dorfwirtshäuser Bachfischer und Dürr nicht ohne Wirtshaus bleibt, eröffneten Rita und Michael Rothut am 12. 8. des gleichen Jahres ihr Gasthaus „Zur Dorfschmiede“. Neben der Wirtsstube gibt es ein großes Nebenzimmer bzw. einen Saal. In acht Fremdenzimmer können zwölf Personen übernachten. Bald wurde die „Dorfschmiede“ wegen ihrer gut bürgerlichen Küche und dem monatlichen „Schlachtschüsselessen“ weithin bekannt. Jährlich wurde mehrtägig die zünftige Dorfkirwa gefeiert, zuletzt sogar wieder mit Kirwabaum und eigenen Kirwapaaren. „Früh um 3 Uhr san ma mal mit da Musikbox af ’m Leiterwog’ durchs Dorf zog’n“, erinnern sich Stammgäste. 1995 nach einem gemütlichen Kommersabend der Freiwilligen Feuerwehr wurde nächtens ein Schwein geschlachtet. „In der Dorfschmiede wurden noch mehr urige Sachen ausgeheckt und durchgeführt“, berichtet Wirt Michael Rothut der „Mittelbayerischen Zeitung“. Und fügt traurig hinzu: „Das wird es nicht mehr geben. Nach 37 Jahren schließt das Gasthaus ‚Zur Dorfschmiede’ unwiderruflich am 28. Februar 2010.“ Aus Altersgründen. „Wir haben keine Nachfolger, die das Wirtshaus fortführen wollen.“ Dann ist das Dorf zwischen Ensdorf und Schwandorf ohne Gasthaus!

„G’müatli war’s und viel ham mir g’feiert“, erinnert sich Philomena Hollweck noch an die Zeit, als das Gasthaus Reiser in Hirschwald noch bestand. 1975 wurde auch dieses Dorfwirtshaus geschlossen. „Der allzu früh verstorbene Josef Reiser war ein einzigartiger Wirt“, lobt sie. Da wurden Forstversammlungen abgehalten und nach Schüsseltreibjagden eingekehrt, an der Johannikirwa und beim Eggenbergfest im Saal das Tanzbein geschwungen. „Schade, dass nix mehr is“, bedauert die Philomena. Noch etwas ist ihr in guter Erinnerung: „Wenn gua trunka gwen is, hom d’ Pferdln alloa ham g’funna!“

Mit Schließung des Hirschwalder Wirtshauses glaubten die Gemeindebürger, die „Seuche Wirtshaussterben“ überwunden zu haben. Zumal im Oktober 1977 das Sportheim der DJK in Ensdorf eröffnet wurde. Momentan hat man keinen Pächter, doch ist DJK-Vorsitzender Lothar Trager zuversichtlich. „Wir haben einen Interessenten und hoffen nach den Umbauarbeiten ab 1. März mit einem neuen Pächter wieder öffnen zu können. Dann täglich außer Montag ab 17 Uhr, sonntags auch schon zum Frühschoppen.“

Die „tödliche Krankheit“ aber flammte 1983 mit dem „Sterben“ der Klosterschänke in Ensdorf  erneut auf. Über das „Wirtshaussterben“ in den 80er Jahren setzen wir unsere Serie fort.