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Sterbebilder im Wandel der Zeit

| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung

„Sterbebilder im Wandel der Zeit“ nannte Hans Weiß seinen Vortrag anlässlich der Eröffnung seiner Ausstellung im Kreuzgang des Klosters mit vielen Sterbebildern aus der Gemeinde Ensdorf. „Sie sollen in pietätvoller Weise der Verstorbenen unserer Gemeinde gedenken und die Erinnerung an sie wach halten“, betonte er.

Sein Vortrag befasste sich mit der Geschichte und Entstehung von Sterbebildern und Totenzetteln.

Ein in der Oberpfalz bei Katholiken allgemein üblicher Brauchgegenstand ist das „Sterbbildl“ aus Papier, das beim Trauergottesdienst verteilt wird. Seit dem frühen 17. Jahrhundert gibt es das Sterbebild in der heutigen Form. Mit dem Sterbebild wurde die Bitte ausgesprochen, den Verstorbenen in guter Erinnerung zu behalten und ihm mit Gebeten auf seinem Weg in die Seligkeit beizustehen. Das Sterbebild wird außerhalb des Süddeutschen Raumes auch Totenzettel genannt und ist heute in der Regel ein kleinformatiges Papier, das in Erinnerung an einen Verstorbenen mit dessen Namen, seinen Lebensdaten – seit geraumer Zeit auch einer Fotografie – und Fürbittgebeten versehen ist. Die Rückseite zierte bis weit in das 20. Jahrhundert meist ein Andachts- oder Heiligenbild.

Einen genauen Zeitpunkt für die Entstehung der ersten Sterbebilder lässt sich heute nicht mehr feststellen. Ihr Ursprung ist in den Totenroteln zu suchen. (Die Provinzialbibliothek Amberg verwahrt als „Strandgut der Säkularisation“ in ihren Sammelmappen sieben Foliobände mit insgesamt 1497 Totenroteln aus dem Besitz des ehemaligen Benediktinerklosters Ensdorf). Vom 6. bis 15. Jahrhundert beschränkte sich die Verwendung der Fürbittzettel fast auf klerikale Kreise. Dann schlossen sich auch Adel und später die „bessere Gesellschaft“ an. „Zum eigentlichen Durchbruch, zur Volkstümlichkeit des Brauches, der Ausgabe von Sterbebildern, kam es zu Beginn des 19. Jahrhundert. Mit Einführung der allgemeinen Schulpflicht war es dem ‚einfachen Mann’ nun möglich, die Informationen und Hinweise auf den Sterbebildern zu lesen und zu interpretieren.

„Die ältesten handgeschriebenen Sterbebilder kommen im 16. Jahrhundert, die ersten gedruckten im 17. Jahrhundert jeweils aus den Niederlanden. Sie waren dem Adel und dem Klerus vorbehalten“, wusste Hans Weiß zu berichten. „Sie diensten der Erinnerung an den Toten und dem Gebetsandenken. Ihre Vorderseite schmückte meist ein Heiligenbild.“ Durch Einführung des Stahlstichs 1820, der die Anfertigung von Kopien in großer Zahl ermöglichte, und der Schulpflicht, verbreiteten sich die Sterbebilder über das gesamte katholische Europa bis nach Amerika und Kanada und erreichten um 1830 Bayern.

Nach der Anrede folgte der Titel sowie der Name und Vorname, manchmal ist auch der Hausname unter dem der Verstorbene bekannt war. In besonderen Fällen wurde auch ein kurzer Lebenslauf aufgeführt. Dann folgten oft die Nennung des Berufes, der besonderen Tätigkeiten des Verstorbenen, die Mitgliedschaft in Kongregationen oder sonstigen Vereinigungen. Im letzten Teil des Textes folgen verschiedene Kurz- und/oder Ablassgebete, die dem Verstorbenen zugeeignet werden konnten, um die Zeit im „Fegefeuer“ zu verkürzen.

Ab 1890 wurden auch in Bayern zunächst meist aufgeklebte Fotos der Verstorbenen auf der Textseite eingefügt, die um 1915 durch das Klischeebild ersetzt wurden. In vielen Sterbebildern der Zeit vor 1960 wurden nur das Sterbedatum und der letzte Wohnsitz angegeben. Anstelle des Geburtsdatums wurde das Lebensalter. Die Verwendung des Steindrucks ab etwa 1870 waren in Bayern bis ca. 1914 starkfarbige, oft auch lackierte Sterbebilder beliebt. Dargestellt wurden häufig die Passion Christi, Herz-Jesu- und Marienbilder, Heilige, Engel, Trauersymbolik usw.

Für die so genannten „Gefallenbilder“ im Ersten Weltkrieg wurde mit Ganzportrait des Soldaten das faltbare Doppelblatt eingeführt. Im Zweiten Weltkrieg ersetzten ab 1941/42 Kriegs- oder nationalistische Symbole und Parolen die religiösen Symbole und Texte. Nach der damaligen Ideologie starben sie ja den Heldentod für „Führer, Volk und Vaterland“. In den Nachkriegsjahren folgten „Notausgaben“, teilweise mit der Hand oder Schreibmaschine geschriebene Zettel aus minderwertigem Papier. Nach 1950 schmückten zunehmend Reproduktionen berühmter Künstler wir Albrecht Dürer, Matthias Grünewald oder Michelangelo die Vorderseite der Sterbebilder.

In der Folgezeit reduzierten sich die Angaben immer mehr auf wenige Lebensdaten der verstorbenen Person.

Zum Ende des letzten Jahrhunderts änderte sich häufig die Darstellung der Bildnisse vom christlichen Motivbild zu meist stimmungsvollen Herbst- und Abendlandschaften, mit Blumenbildern oder mit persönlichen Verbundenheiten des Verstorbenen, wie z. B. einer bestimmten Kirche oder dergleichen.

„Sterbebilder sind ein Spiegelbild der Gesellschaft, des Zeitgeschehens und belegen den kulturellen und religiösen Umgang mit dem Tod“, erklärte Hans Weiß. „Hinter jedem Sterbebild stand und steht bis heute ein Lebensweg. Deshalb sollte man stets daran denken, dass diese Belege Zeugnisse vergangener Leben sind. Jedes Sterbebild ist deshalb mit Pietät und gebührender Achtung zu behandeln!“

Wenn noch jemand alte Sterbebilder aus Ensdorf und Umgebung zu Hause hat, wäre Hans Weiß für eine kurzzeitige Überlassung derselben zur Anfertigung von Kopien und Erstellung eines Archives sehr dankbar. Die Ausstellung mit vielen Sterbebildern aus der Gemeinde Ensdorf ist noch bis einschließlich Sonntag, 13. November im Kreuzgang des Klosters täglich zwischen 9 und 18 Uhr zu sehen.