Konzert von Peter Autschbach und Samira Saygili
| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung
Bevor Jürgen Zach die Gäste begrüßen konnte, mussten erst einmal Stühle nachgestellt werden, so groß war die Nachfrage. Es entstand eine wunderschöne Atmosphäre im Mehrzweckraum des Klosters: vor der schwarzen Wand nur ein wenig Technik, vier Gitarren und zwei Stühle. Mit den glasklaren Tönen der Baritongitarre, deren Spektrum Autschbach genüsslich auskostete von den satten Tiefen bis zu den Flageoletts, begann ein Klassiker von Elton John: „Your Song“. Samira Saygili´s Gesang ließ schon bei den ersten Tönen ihre enorme stimmliche Ausdruckspalette erahnen. Alle im Konzert gecoverten Songs waren nicht aufgewärmt, sondern in typischer Autschbach-Manier bearbeitet. Immer auf sehr individuelle Weise arrangiert bis wieder ein bekanntes Riff aufblitzte, das die Zuhörer auf die tonale Entdeckungsreise durch einen schönen Musikabend mitnahm.
Szenenapplaus war ein unerlässlicher Begleiter. So z.B. bei „One Note Samba“ oder „Smile“. Das Publikum sang bei einer Neuinterpretation des 10cc-Klassikers „I´m not in love“ die Bordun-Passagen, auf denen die beiden Künstler ihre Improvisationen aufsetzten.
Und dann waren da noch die eigenen Songs der aktuellen CD „Sweeter than honey“. Einige dieser Eigenkompositionen haben das Zeug zum Jazz-Klassiker. Stehen beim Titelsong noch die Liebe und das Leben im Mittelpunkt (manche Werke entstanden in Urlaubsstimmung), wird einem bei „Holobiont“ schon etwas anders: Es geht um die Symbiose des Menschen mit seinen in sich beheimateten Bakterien – textlich und musikalisch ein Genuss.
Ganz ruhig wurde es im Saal als Samira Saygili ihr Fehlen beim Konzert im letzten Jahr erklärte: Bei der Ausreise aus der Türkei nach einem Familienbesuch am 3. Januar 2018 wurde sie für fünf Wochen festgehalten. Es herrscht die pure Willkür im Land ihrer Familie. Telefone werden abgehört, es wird Angst geschürt und das Volk wird gespaltet mit Populismus. Was die studierte Musikpsychologin beobachtet, ist, dass auch bei uns Parolen und Pauschalisierungen an der Tagesordnung sind, dass Hass geschürt wird. Langer Applaus signalisierte die Solidarität der Anwesenden, als sie darum bat, aufmerksam und kritisch zu sein, damit das in Deutschland, ihrem zweiten Heimatland, nicht auch geschieht. Das verarbeitete sie danach in einem der deutschen Lieder „Keine Lust“, das in der Türkei entstand.
Bald schon waren die Zuhörer wieder in den Sphären des Autschbachschen Gitarrensounds gefangen. „Viele Akkorde, je abgefahrener, umso besser“ ist seine Devise, dabei ließ er seiner Partnerin immer den musikalischen Raum, ihre Stimme auszuleben: von einfühlsamen Passagen über humorvolle und hintergründige Parodien, Scatgesang, Trompetenimitationen bis zur rauen Bluesstimme – alles war dabei. Und man glaubte es kaum, was aus der zierlichen Sängerin, die im Schneidersitz auf der Bühne saß, alles `raus kommt.
Fazit: Ein geniales Duo, dessen musikalische Qualitäten kongenial verschmelzen. Immer wieder Kopfschütteln im Publikum, weil es so unglaublich war, wer in dem kleinen Dorf an der Vils zu Gast war. Dem Bildungshaus ist da ein echter Coup gelungen. Und für das nächste Jahr ist der Termin schon festgezurrt: wieder zum Jahresbeginn mit Workshop. Und auch dafür haben sich schon einige wieder angemeldet.
Samira Saygili
Saygili begann ihre Karriere mit klassischem Gesang am Karlsruher Staatstheater, studierte Jazzgesang in Maastricht bei Sabine Kühlich und Fay Claassen und später in Sheffield Musikpsychologie. Am 8. Oktober 2017 sang sie zusammen mit Sabine Kühlich das von dem Gitarristen Peter Autschbach komponierte Orchesterwerk "Wir sind Demokratie" beim 6. Kongress der Industriegewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie vor 1100 Delegierten. Seit 2009 spielt Samira Saygili im Duo mit Peter Autschbach und war 2009–2013 auch mit der Band Still Collins zu hören. Ihr erstes Duo-Album mit Autschbach (bei vorherigen Produktionen war sie bei jeweils zwei Stücken Gastsolistin), "Sweeter Than Honey", erschien im Herbst 2018 bei Acoustic Music Records. Für dieses Album schrieb Saygili die Texte von fünf Stücken ("Sweeter Than Honey", "Holobiont", "Unhappy Triad", "Downhome Blues", "Keine Lust" und "A Scent Of Love") und komponierte den Song "Keine Lust". Die Songs "Baron Otard", "Sweeter Than Honey", "Holobiont", "Downhome Blues" und "Unhappy Triad" sind gemeinsame Kompositionen von Autschbach und Saygili auf diesem Album. Im November 2018 war das Duo Peter Autschbach & Samira Saygili gemeinsam mit Peter Finger im Rahmen der "International Guitar Night"- Tournee zu hören.
Peter Autschbach
Peter Autschbach erlernte das Gitarrenspiel zunächst als Autodidakt, 1988/89 war er privater Gitarrenschüler von Joe Pass. 1990 schloss er ein Jazz-Studium an der Hochschule für Musik Köln mit Auszeichnung ab. Um das Komponieren und Veröffentlichen eigener Stücke zu ermöglichen, war er danach als musikalischer Dienstleister tätig: In der Rockoper Tommy des The Who- Gitarristen Pete Townshend wirkte er zwischen 1995 und 2005 als Gitarrist in etwa 1000 Shows mit. Dann war er am Theater Dortmund Gitarrist bei Musicals wie Cabaret (2002) oder West Side Story (2004). Später war er Gitarrist bei der Queen-Show We Will Rock You (Musical) in Köln und Wien. Seit 1998 tourt Peter Autschbachs Formation Terminal A durch das In- und Ausland. Auch solo und in Zusammenarbeit mit Barbara Dennerlein (2003), Philip Catherine (2007), Ramesh Shotham und Martin Kolbe gab Peter Autschbach Konzerte. Seit 2009 spielt Autschbach im Duo mit der Sängerin Samira Saygili. Seit 2010 arbeitet er mit dem in Arizona lebenden Gitarristen Ralf Illenberger zusammen, das Duo gab seitdem einige Hundert Konzerte und hat drei gemeinsame Alben veröffentlicht.
Seit 1998 wurden Peter Autschbachs Kompositionen in unterschiedlichen Besetzungen von Gitarre solo bis zum Orchester auf mittlerweile 13 CDs aufgezeichnet. Der US-Gitarrenhersteller Larrivée entwickelte 2013 eine E-Gitarre nach Autschbachs Vorstellungen, das „Autschbach Model“. Larrivée setzte dabei Peter Autschbachs Idee eines neuartigen Tonabnehmers mit zueinander versetzten Spulen (twisted coil Humbucker) in die Tat um. Auch der Wolfratshausener Gitarrenbaumeister Johannes Striebel ehrte den Musiker mit mittlerweile vier verschiedenen Autschbach-Signature-Serien. Als Sologitarrist und Interpret seiner Fingerstyle-Kompositionen wurde Peter Autschbach für Tourneen nach Singapur (2011) und Japan (2014)[3] eingeladen. Im Jahr 2017 schuf Peter Autschbach Musik, Text und Arrangement für den Song "Wir sind Demokratie" als Auftragskomposition für die Industriegewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie. Das Stück wurde mit den Sängerinnen Samira Saygili und Sabine Kühlich und über 60 beteiligten Musikern am 8. Oktober 2017 in Hannover zur Eröffnung des Gewerkschaftskongresses der IG-BCE uraufgeführt. Das japanische Label Da Vinci veröffentlichte im April 2018 Peter Autschbachs Solo-Jazzgitarren-Album "Begin At The End". Im November 2018 war Autschbach mit Samira Saygili im Rahmen von Peter Fingers "International Guitar Night"- Tournee zu hören. Dabei stellten die beiden ihr Ende 2018 erschienenes Duo-Album "Sweeter Than Honey" vor.
Seit 1990 unterrichtet Autschbach an der Musikschule Lennestadt, leitet Gitarrenworkshops in Deutschland, Europa und Asien und hat 16 Lehrbücher für Gitarre und Gitarrenschulen veröffentlicht. Dabei entwickelte er neue, von vielen Lehrern verwendete didaktische Methoden wie das E-Gitarrenlehrbuch "Let's Rock" und die zweibändige Akustikgitarrenschule "Rock On Wood". Das 2016 bei Schott Music erschienene Lehrbuch "Gitarre lernen mit Zacky und Bob" für Kinder im Alter ab 8 Jahren vermittelt von Anfang an ein Spiel auf dem gesamten Griffbrett, wodurch die Gitarre als Ganzes erlebt werden kann. Zu diesem Zweck hat Autschbach für dieses zweibändige, von der Grafikerin Selina Peterson illustrierte Werk 90 leicht spielbare Gitarrenstücke komponiert. Auf einer Homepage zum Buch gibt es zu jedem Stück erklärende Videos. Für die Fachzeitschrift Akustik Gitarre schreibt Peter Autschbach seit 1999 eigene Kompositionen für die Reihe „Fingerstyle Jazz“; seit 2011 wirkt er zudem als Gitarren-Dozent der Kolumnen "Acoustic Rock" und "Guitar Hero" bei dem Workshop-Magazmit.