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„Heilige Nacht“ von Ludwig Thoma

| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung

Am vierten Adventsonntag versetzte Richard Gabler aus Regensburg in der Pfarrkirche St. Jakobus mit seiner Lesung der „Heiligen Nacht“ von Ludwig Thoma, die mit in eine besinnliche Adventsstimmung. Die sechs Hauptstücke der Weihnachtslegende umrahmten die Ensdorfer Stubenmusik und der Ensdorfer Dreigesang mit einfühlsam passender Musik. Für diesen Höhepunkt bayerischer Volkskultur, den die „Heilige Nacht“ zweifellos darstellt, gibt es kaum einen besseren Rahmen als die barocke Asamkirche in Ensdorf.

Ludwig Thoma überführt in seiner „Heiligen Nacht“ die klassische Weihnachtsgeschichte nach dem Lukas-Evangelium von Nazareth nach Bethlehem in den bayerisch-bäuerlichen Alltag. Die schwangere Maria stapft bis zur totalen Erschöpfung durch das verschneite bayerische Alpenland und wird auf der Suche nach einer Herberge immer wieder abgewiesen, Dabei prangert Thoma insbesondere die Kluft zwischen Armut und Reichtum an, der sowohl in der biblischen Geschichte als auch im Alltag herrscht. – aktueller denn je. So heimelig dieses Stück auch wirken mag, so kommt dennoch auf erschreckende Weise die Zerrissenheit der modernen Welt zum Ausdruck. Die „Heilige Nacht“ zählt zum Anrührendsten und Feinfühligsten, was je in bayerischer Mundart geschrieben wurde.  

„Ludwig Thoma, einer der bedeutendsten Schriftsteller Bayerns wurde als fünftes von acht Kindern am 21. Januar 1867 in einer Försterfamilie begoren, die bescheiden in der Riß bei Lengries lebet. Vielleicht haben manche tief greifende Kindheitserlebnisse dazu beigetragen, dass er später in der „Heiligen Nacht“ so einfühlsam und glaubwürdig bestimmte Szenen gestaltete, in denen das heilige Paar erlebt, abgewiesen und ausgeschlossen zu sein. Bereits mit sieben Jahren wird  er durch den Tod des Vaters zum Halbwaisen, bekommt einen Vormund, rebelliert gegen Schein-Autoritäten und Doppelmoral, weshalb er immer wieder die Schule wechseln muss. In manchen Szenen der „Heiligen Nacht“ meint man seine eigenen Erfahrungen zu spüren, wie es ist, „draußen vor der Tür“ zu stehen. Hinzu kommen belastende Erfahrungen während seines Einsatzes im Ersten Weltkrieg. Sie veränderten Thomas politische Einstellung radikal. Als begeisterter Kriegsfreiwilliger in den Krieg gezogen, wird er nach schwerer Erkrankung körperlich und seelisch verletzt nach Hause geschickt. In dieser Zeit, nach seiner Rückkehr von der Front, in der es ihm sehr schlecht geht, entsteht 1916 die ‚Heilige Nacht’, eine in ihrer Schlichtheit zu Herzen gehende Weihnachtslegende, die in Vierzeilern die Geburt Jesu erzählt, ganz einfach, ins Altbayerische übersetzt, wie ein Geheimnis aus unseren Tagen“, erläuterte Sebastian Sonntag, 1. Vorsitzender der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) Amberg-Sulzbach, welche zur Lesung eingeladen hatte, den Zuhörern. „Mit der ‚Heiligen Nacht’, ursprünglich im Lengrieser Dialekt  geschrieben und 917 veröffentlicht, ist es Ludwig Thoma gelungen, vielen Menschen das Weihnachtsgeschehen im wahrsten Sinne des Wortes ‚ans Herz zu legen’.“ Eindringlich schildere er z. B. wie beschwerlich für Maria der Fußmarsch durch den Bergwald mit hohem Schnee war. Hier habe der dichter auch an seine eigene Mutter gedacht. Thoma kam im Januar zur Welt; seine Mutter hatte das eingeschneite Forsthaus verlassen müssen, da man eine Hebamme bei den schlechten Wegverhältnissen nicht dorthin habe holen können.

Mit der „Heiligen Nacht“ lässt Ludwig Thoma seine tief empfundene Frömmigkeit erahnen. Diese Versdichtung ist längst Bestandteil der Weihnachtszeit, auch weit über die Grenzen Bayerns hinaus. Immer wieder haben prominente Schauspieler zur Vorweihnachtszeit dieses anrührende Werk vorgetragen. Diese Tradition setzt Richard Gabler fort. Seine Interpretation unterscheidet sich allerdings dadurch, dass er die Verse völlig frei spricht, und die jeweiligen Charaktere durch Stimme und mimisches Spiel ungemein lebendig werden lässt. Mit innig-verhaltener Zärtlichkeit bis hin zum gewalttätig-groben Ausbruch. Er versetzte die Zuhörer in eine Adventsstimmung, die um vieles echter war als die künstlich hergestellte, die den Menschen in der heutigen Zeit überall begegnet. Er griff mit der Geschichte der Herbergssuche den Menschen ans Herz, wenn er mit seiner Bassstimme so emotional erzählte, und sie mit auf den Weg von Maria und Josef nach Bethlehem nahm,  Nach rund 300 Vorträgen in 25 Jahren - selbstlos und ohne jedes Honorar im Dienst einer guten Sache -   allerdings jetzt zum letzten Mal! Und das in Ensdorf.

Seit 1994 unterstützt Richard Gabler mit seinen unentgeltlichen Vorträgen von Ludwig Thomas „Heilige Nacht“, wo er zu Spenden aufruft, die „Noma-Hilfe e. V. Regensburg. Noma ist eine Infektionskrankheit, die in Gebieten mit extremer Armut in Afrika, Lateinamerika und Asienauftritt. Nur durch plastische Chirurgie und mit Medikamenten kann Betroffenen dauerhaft geholfen werden. In Ensdorf wurden dafür 1360 Euro gespendet.