Glaubens-Talk-Reihe zur Mondlandung
| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung
Dr. Jürgen Kämmerer von der Sternwarte Regensburg erzählte, dass seit der Entstehung unseres Kosmos im Urknall 13,7 Milliarden Jahre vergangen sind – und der Mensch in seiner Evolution aus Afrika kommend schließlich die Welt in Europa und auf allen anderen Erdteilen unterworfen hat. Das Universum ist riesengroß und unsere eigene Milchstraßen-Galaxie ist nur eine von mehreren Milliarden Galaxien im unendlichen All. Die Hitze vom explosiven Urknall könne sogar heute noch in der sogenannten Hintergrund-Strahlung gemessen werden. Alle Sterne entfernten sich untereinander mit einer immer größeren Geschwindigkeit. Unser Weltall sei so ausgedehnt, dass sich das ein Mensch mit seinem Bewusstsein das gar nicht mehr vorstellen könne - nicht in den uns so gewohnten drei Dimensionen, sondern sogar noch in einer vierten kosmischen Dimension. „Die Naturwissenschaft forscht nur nach dem, was sie mit ihren Methoden konkret feststellen kann. Was vor dem Urknall war, das interessiert sie nicht, da ist dann der Philosoph und der Theologe gefragt.“
Diakon Johannes Payer aus Regenstauf kam in seinen provokativen Gedanken dann auf ein ganz wichtiges Anliegen im christlichen Verständnis zu sprechen, nämlich auf die anspruchsvolle Thematik der Erbsünde. Er wies sogleich darauf hin, dass es natürlich heute überhaupt nicht mehr glaubwürdig ist, von einem einzigen Elternpaar – nämlich Adam und Eva - in der Bibel – auszugehen, wenn doch die kosmische Evolution des Menschen über Jahrtausende hin als eine deutliche Entwicklung von sozusagen vielen Elternpaaren angesehen werden muss, weil die wissenschaftlichen Ergebnisse für diese interessante Erkenntnis so erdrückend und einfach sicher sind. „Adam und Eva in der Welt der Bibel sind eben heute nicht mehr als historische Personen wie früher in der Kirche zu sehen, weil sie die Schuldverfallenheit und Erbsünde des Menschen nicht ausgelöst haben können, schon gar nicht durch die Vererbung in bloß sexueller Hinsicht, was vor allem leider der heilige Augustinus so betont hat. So müssen wir einen anderen Begriff für diesen bisherigen Glaubensinhalt der Erbsünde schaffen, damit wir in der Kirche mit der modernen Welt von heute wirklich glaubwürdig argumentieren können“, so Diakon Payer. So dürfe man heute zum Beispiel direkt von einer strukturellen Sünde sprechen, die nicht eine einzelne Person begehe, sondern an der eine große Gruppe beteiligt ist. Und dieser große Kreis sei dann insgesamt verantwortlich dafür, dass gegen Erfahrungen der Ungerechtigkeit und der Unterdrückung etwas unternommen wird, dass etwa eben ein Staat oder eine bestimmte Kirche eingreift. Zu dieser kritischen Sichtweise lade die Theologie der Befreiung in Südamerika ein und es sei zu hoffen, dass auch in unserem Land staatlicherseits etwas unternommen werde, dass beispielsweise der Unterschied von Arm und Reich nicht noch weiter in katastrophaler oder eben sündiger Weise fortschreitet.
Johann Ott aus Amberg stellte fest, dass ja die Beichte heute total verschwunden sei. Und er führte weiter aus, dass die ganze derzeit so aktuelle Umwelt-Problematik „Friday for Future“ genau diese traurige Erfahrung widerspiegelt, wenn nämlich jemand sagt: „Eigentlich müsste ich auf mein Auto öfters verzichten, damit unsere Welt sauberer wird - aber ich kann doch meine wichtigen Termine nicht einfach sausen lassen.“ Melanie Büttner aus Amberg bohrte ganz provokativ nach, dass doch viele Menschen gar kein Schuldbewusstsein hätten. Wie sollten diese Personen so etwas wie eine Sünde begehen können, wenn sie gewisse Forderungen der Kirche überhaupt nicht ernst nehmen würden? Sie sprach sich für die allgemeine Freiheit aus, aus der heraus jeder nur seinem Gewissen verantwortlich sei – und nicht Vorschriften aus der katholischen Kirche folgen müsse. Erich Zink aus Pielenhofen betonte für sich, dass mancher sich als Gläubiger seine Gotteserfahrung nur sehr oberflächlich zurechtzimmere und nicht den Ernst spüren würde, dass wir doch als Geschöpfe eines allmächtigen Gottes in aller positiven Verantwortung wirklich nur danach trachten sollten, was einfach in unserem Charakter und unseren Talenten von Gott selber für uns vorgesehen ist.
Salesianerpater Alfred Lindner meinte: „Im Gespräch mit Schülern der Oberstufe wird es ganz deutlich, dass die bisherige kirchliche Sprache von der Erbsünde keinem jungen Menschen mehr das Geringste bedeutet - im Gegenteil, wenn die Prediger es künftig nicht schaffen, an einem gewöhnlichen Sonntag eine neue glaubwürdige Deutung für diese menschliche Schwäche und Erfahrung der irdischen Unvollkommenheit im Rahmen der Evolution des menschlichen Kosmos zu finden, dann schreitet die Verdunstung im christlichen Glauben in erschreckender Weise weiter voran, sogar in der ländlichen Oberpfalz. Wer möchte sich denn schon für seinen Glauben heute auslachen lassen?“
Der wissenschaftlich-religiöse Diskussionsabend war im Kloster Ensdorf von sehr persönlichen Stellungnahmen geprägt und viele spürten, dass es bei dieser anstrengenden Thematik so richtig um das „Eingemachte“ im Christsein geht. Nicht verwunderlich, dass die Teilnehmer sogar über zwei Stunden zusammen waren, um sich diesen so intensiven und heißen Auseinandersetzungen um ganz zentrale Glaubensinhalte im Christentum auszusetzen. Fazit eines Teilnehmers an diesem biblischen Abend: „Nur wenn moderne Naturwissenschaft und religiöser Glaube ehrlich und ohne Tabus miteinander sprechen, wird Christsein sogar heute wieder glaubwürdig und authentisch werden – gerade bei fragenden jungen Menschen“.