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Bibelnacht: „Wo Milch und Honig fließen“

| Hans Babl | Mittelbayerische Zeitung

Alljährlich findet im Kloster Ensdorf an einem Sommerabend eine sogenannte Bibel-Nacht statt. In diesem Jahr zum letzten Mal in der Hauskapelle. Kommendes Jahr dann endlich wieder in der dann renovierte Barockkirche St. Jakobus mit ihren Asamfresken. Salesianerpater Alfred Lindner begrüßte über 60 interessierte Teilnehmer, welche die Hauskapelle der Salesianer Don Boscos bis zum letzten Platz füllten.

Er stellte das Wort von Papst Franziskus „Wer die Bibel nicht liest, kennt Jesus Christus nicht“ in den Mittelpunkt. „Wer kann sich also diese Freiheit heute wirklich leisten, nicht darin zu lesen?“ fragte er. Erfreulicherweise konnten wieder ganz besondere Gäste für diesen kreativen pastoralen Bibel-Abend gewonnen werden. Im laufenden Lutherjahr sollte diese geistliche Begegnung auch eine ganz deutliche ökumenische Note bekommen. So hatte sich von der evangelischen Auferstehungskirche Pfarrer Heinrich Arweck, zusammen mit Alfons Wanninger bereit erklärt, ein kleines Anspielstück zum biblischen Motto des Abends zu spielen: „Wo Milch und Honig fließen“. In einer typisch provokativen Art stellten sie dar, was passiert, wenn heute in unserer modernen Zeit sich jemand ganz persönlich auf die Welt des christlichen Glaubens bewusst einlässt. „Er wird nicht ganz ernst genommen, weil ja diese religiöse Welt bei vielen in ihrer spirituellen Bequemlichkeit einfach nicht zu unserer irdischen Welt passen kann.“ Glaube wird schnell als un-realistisches Vorurteil abgetan, so der Psychiater und Arzt in dieser kleinen biblischen Szene.

Karl Kirch aus Amberg verwies als evangelischer Christ auf die Geschichte vom verlorenen Sohn als seiner Lieblings-Bibelstelle, vor allem, weil dort so gut rüber kommt, wie der Vater in dieser Situation reagieren würde, nämlich sehr großherzig und barmherzig und zärtlich, da er ihm überraschend bedingungslos entgegenkäme. Klaus Eberius, evangelischer Pfarrer der Nachbargemeinde Rieden, stellte das Wort Gottes in sein Zentrum: „Dieses aber wolle nicht schöne Theorie bleiben, sondern eben von einem jedem Christen in der konkreten Tat lebendig und für den Menschen wohltuend werden.“ Auch junge Leute sind der Einladung gefolgt und so erzählte Manuel Allwang aus Wolfsbach von seinem längeren Aufenthalt in Peru. Gerade als ehemaliger Oberministrant wurde ihm in Südamerika bewusst, dass die Menschen dort viel bescheidener leben als wir in Europa. Von einem gewissen Wohlstand wie in Deutschland könnten die Leute dort nur träumen. Das hat ihn sehr nachdenklich gemacht, ja zur Einsicht gebracht, dass wir in unserem Reichtum durchaus auf einiges verzichten könnten, damit wir doch ein wenig zufriedener mit unserem Leben wären. Die Armen in Peru – warum würden sie denn sogar glücklicher aussehen als wir in unserem übertriebenen Konsum-Denken in Europa? Manuel trug mit seiner Gitarre auch zur stimmigen musikalischen Umrahmung dieses Abends bei, z. B. wenn er alle einlud, den Song „Wo Himmel und Erde sich berühren“  mitzusingen. Teresa Popp aus der Pfarrei Ursensollen umrahmte mit ihrem Saxophon diesen biblischen Abend mit zwei sehr meditativen Stücken.

Im Mittelpunkt stand jeweils die Möglichkeit, eine seiner eigenen Lieblingsbibelstellen vorzutragen. MdL Reinhold Strobl führte als besonderer politischer Gast aus: „Das Leben Jesu will uns Christen Ruhe verschaffen, ja erquicken. Aber - lassen wir das auch zu?“ Meistens wurde ein Zitat aus dem Neuen Testament genannt wie das  Anliegen christlicher Solidarität heute. Aber auch aus dem Alten Testament wurde ein Gedanke übernommen, wenn die weitest angereiste Jugendgruppe aus Regensburg mit Witali Jakobi sich den Propheten Kohelet vorgenommen hat: „Es gibt für alles eine Zeit, für den Frieden und auch für den Streit. Diese Stelle lädt doch uns alle ein, über negative Erfahrungen hinweg sich doch immer wieder gerade um eine optimistische und positive Sichtweise unseres Lebens zu bemühen, weil man dann besser durchs Leben kommt als wenn man nur Pessimist ist. Das Glas Wasser ist für einen Christen immer halb voll, nicht halb leer.“ Erich Zink aus Pielenhofen brachte einen kritischen Text eines Jugendlichen mit, den er dann in der Art eines Poetry-Slam-Beitrags vortrug, wo es dann immer wieder fast wie mit einem Vorwurf an Gott hieß: „Wo bist du Herr, wenn ein Kind von einem betrunkenen Autofahrer getötet wird? Wo bist du?“

Pater Lindner las aus der sogenannten Volx-Bibel vor, die in ganz exzellenter Weise in einer Jugendsprache entstanden ist. Über tausend junge Menschen haben zu jedem Bibelsatz eine zeitgemäße und moderne Übersetzung in eine jugendgerechte Form versucht und einige Theologen haben dann diese Vorschläge in einer verantwortbaren Art und Weise zusammengeführt. Entstanden ist ein Text, der sehr erfrischend, direkt, aber meist sehr motivierend wirkt. Vor allem als passende Ergänzung zur gewohnten kirchlichen Einheitsübersetzung im Sonntagsgottesdienst ist diese Volx-Bibel eine große Bereicherung, wenn es beispielsweise heißt: „Wenn du wirklich auf mich hören willst, dann lass mich doch dein Boss in deinem Leben sein – und ich werde dich dann begleiten und dich sicher an dein eigenes Ziel führen, weil ich ja wirklich dein Boss bin und dich also genau kenne.“ Einige waren von dieser neuen jugendlichen Volx-Bibel so begeistert, dass sie an diesem Abend auch eine solche preiswert erworben haben. Nachher beim gemütlichen Zusammensein mit dem von vielen so gelobten würzigen Bibelbrot und Honigwein wurde sehr interessiert über diese verschiedenen kreativen Chancen miteinander gesprochen, wie man heute die Welt der Bibel von vor 2000 Jahren auch heute noch so lebendig und lebensnah verstehen kann, wie sie eben damals aufgeschrieben wurde – und nicht wie wir sie heute in einer oft einfach zu frommen und von unserem täglichen Leben weit entfernten Form erleben.

Um 21 Uhr nahm dann die ganze Bibel-Runde das offizielle Abendläuten der Ensdorfer Glocken als speziellen Beitrag für Besinnung und Ruhe an. Danach war ein filmischer Block  auf Video-Groß-Leinwand zu sehen, in dem einige ganz spontan vor der Kamera erzählten, was ihre Lieblings-Bibel-Stelle ist. Ministerin Emilia Müller antwortete in Schwandorf ganz persönlich auf diese Frage, dass in Ihrer täglichen Sozialarbeit in der Politik für sie immer wieder der Satz Jesu ins Zentrum rücke: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder und Schwestern getan oder nicht getan habt, das habt ihr auch an mir getan oder eben nicht getan.“ Und Sarah Däbritz, Olympia-Goldmedaillen-Gewinnern der deutschen Frauen-Fussballnationalmannschaft in Rio 2016 und frühere Ministrantin, las bewusst einige Zeilen aus ihrer Sportler-Bibel vor, die sie zuhause hat  und meinte dann: „Gerade das Gleichnis vom Sämann, der in Geduld seinen Samen aussät, sagt mir immer wieder ganz deutlich, dass ich mich eben anstrengen muss, ja sogar gewisse Opfer bringen muss, damit ich das Ziel erreichen kann, das ich mir selber gesteckt habe. Mit dieser Kraft und diesem Optimismus möchte ich leben und arbeiten. Dann werde ich dieses Ziel auch im Sport erreichen.“

Einige waren zur Bibel-Nacht auch deshalb gekommen, weil sie einen ähnlichen phantasievollen Bibel-Abend in Zukunft auch in ihrer eigenen Pfarrei zuhause umsetzen wollen, nicht in dieser intensiven Form wie im Kloster Ensdorf, aber wenigstens mit ein paar bestimmten biblischen Elementen, die besonders zu ihrer Pfarrei passen. Der Frauenkreis aus Rottendorf, die Firmlinge in Allersburg, die Ministranten in Ursensollen oder der Pfarrgemeinderat in Pittersberg überlegen, wie sie die Erfahrung von Ensdorf für ihre Gemeinden übertragen können und wie gerade junge Leute in der eigenen Pfarrei für einen ähnlichen Bibel-Abend angesprochen werden können. Dieser Abend im Kloster war kurzweilig und bereichernd, so dass sogar der geplante Auftritt des Evangelisten Matthäus mit seinen ganz persönlichen Beweggründen, warum er sein Evangelium zum Teil ganz anders geschrieben hat als etwa. Lukas oder Markus,  gestrichen werden musste, weil eben keine Zeit mehr dafür da war  nach 90 Minuten. Umso schöner war dann der gemütliche Ausklang, gemäß dem praktischen Motto, wo nicht nur die Seele sondern auch der Leib Zuspruch erhielt: „Wo Milch und Honig und Bibelbrot – und Wein und sogar Bier fließen“.